Wolfsschanze

Die Nacht war sehr windig. Nach der Beaufort-Skala zwischen 4-5. Im Dachzelt wird es durch die Windgeräusche laut, da die Regenplane ab und zu laut schlägt. Innen ist es dennoch gemütlich und in unseren Schlafsäcken herrlich warm. Die Fenster des Zeltes lassen wir immer ein wenig offen, damit die Feuchtigkeit der Atemluft besser entweichen kann. Sonst erwacht man morgens in einer Tropfsteinhöhle.

Der Campingplatz ist einer der schönsten, die wir je besucht haben. Er liegt auf einer Halbinsel, die von der Alle umflossen wird. Bis auf den Wind ist es totenstill. Außer uns ist noch ein Camper aus Greifswald da, aber den bekommt man gar nicht mit. Im Sommer muss es hier bei lauer Nacht sehr idyllisch sein.

Ziel des Tages ist die Wolfsschanze. Die Fahrt wird etwa zwei Stunden dauern. Wir haben uns auf der Karte eine Route über die Dörfer ausgesucht. Während der Fahrt, so ist es fast immer, planen wir das Abendessen. Hat diesmal nicht so richtig geklappt. Passiert auch hin und wieder. Dann besteht die Lösung im Ansteuern des nächsten Supermarktes. Beim Blick in die Fleischtheke fällt dann meist eine klare Entscheidung. So auch heute. Mehr dazu dann später.

Der offizielle Titel der Suche bei Google lautet „Führerhauptquartier Wolfsschanze“. Auf dem Weg dorthin fahren wir durch die Masuren. Die Landschaft ist verwunschen und hügelig. Überall sind Seen, Moore und kleine Wälder. Die Dörfer wirken so, als ob die Zeit schon lange aufgehört hat weiterzulaufen. Hier und da ist dann ein Betrieb mit neuen landwirtschaftlichen Maschinen, die Felder teils top in Schuss, meist jedoch brach wirkend. Dabei ist der Boden hier deutlich erdiger und schwärzer als im Westen des Landes.

Das Führerhauptquartier liegt mitten im Wald und ist touristisch erschlossen. Am Eingang gibt es einen Ticketschalter und das Personal ist sehr anständig in beigen Hosen und dunkelgrünen Jacken gekleidet. Geparkt wird neben alten Panzerwagen, die als Touri-Attraktion bereitstehen. Zu Fuß erkundet man dann die Zone 1. Das war Hitlers engster Kreis aus Offizieren und deren Kommandoständen. Dieser Raum war es auch, der am besten bewacht wurde. Insgesamt bestand das Areal aus drei Zonen, wobei Zone 2 und 3 jeweils weniger wichtig waren. Die Bunker verteilen sich willkürlich auf dem Gelände. Die Dächer waren ursprünglich mit Gras bewachsen und der Raum zwischen Bunker und Wald wurde mit Tarnnetzen abgespannt. Alles Tarnung gegen Luftaufklärung. Als seinerzeit die Rote Armee anrückte, verließ man die Anlage und sprengte alles in die Luft. Heute sieht man die Ruinen. Meist steht eine Seite der Fassade, dahinter sieht man dann ein Feld aus Trümmern der gewaltigen Bunker. Hier und da erkennt man noch die Betonringe, in die einst die Flak-Lafetten eingebettet waren. Besonders gekennzeichnet ist die Stelle, an der Stauffenberg den Koffer mit den präparierten Bomben abstellte. Das Attentat ging einst schief. Zum einen hat er aus zeitgründen nur eine der beiden Bomben aktiviert, zum anderen stand der Koffer so ungünstig neben Hitler, dass das massive Beton-Tischbein des Kartentisches dazwischen war. So konnte die Druckwelle in Richtung Hitler abgewehrt werden. Die Anlage vermittelt schon recht eindrücklich, welchen Wahnsinn Hitler seinerzeit dort getrieben hat. Sehr positiv empfanden wir, dass nicht alles abgesperrt war. Man kann sich nahezu frei zwischen den Ruinen bewegen. Läge die Anlage in Deutschland wären überall Absperrbänder und Barrieren.

Nach etwa drei Stunden Bunkerglotzen sind wir total platt und fahren tiefer in die Masuren. Der Campingplatz Sonata liegt direkt an einem riesigen See. Wir stellen uns so hin, dass wir im Windschatten großer Bäume stehen. Während der Suche nach totem Holz stehe ich plötzlich vor einem Elch, der sich tagsüber im Schilf aufgehalten hat. Das passiert wohl häufiger sagt uns später der Wirt. Das Camp ist rasch aufgebaut und wir machen ein loderndes Feuer. Es gibt Schweinerücken vom Grill und mit Feta gefüllte Tomaten und Zucchini aus dem Dutch Oven, den wir dazu als Ofen umfunktionieren. Pünktlich zum Essen fängt es an zu regnen und wir ziehen weg vom Feuer unter die Markise. Es ist dennoch ein Festessen. Kurz vorm Schlafengehen hören wir noch lautes Knacken direkt vor uns im Waldstreifen. Es ist großes Wild unterwegs.