Morgenstund‘ hat (blaues) Gold im Mund‘

Dienstag, d. 23. April 2019: Heute hat es geklappt mit dem frühen Aufstehen: was aber auch an einer unruhigen, sehr windigen Nacht lag. Wir haben nicht so gut geschlafen, also warum nicht den frühen Vogel ausnutzen. Um 7.58 Uhr sind wir am Eingang des Jardin Majorelle. Jener Garten, vor dem gestern Unmengen an Menschenmassen auf Einlass warteten. Unser Plan ist aufgegangen: vor uns stehen maximal 15 weitere Besucher an. Wir zahlen umgerechnet 34€ für zwei Kombi-Tickets zum Jardin und zum Museé Yves Saint Laurent de Marrakech (kurz: mYSLm). Der Jardin ist einer der schönsten Gärten der Welt, den wir je gesehen haben. Es ist ein unwirklicher Ort. Der Maler Jacques Majorelle hat ihn 1923 gegründet, vier Jahre nachdem er sich in Marrakesch niederließ. Der Garten war sein Lebenstraum. Majorelle war nicht nur ein begnadeter Maler, sondern auch leidenschaftlicher Botaniker. Aus aller Welt brachte er Pflanzen (vor allem Kakteen aus Nord- und Südamerika) in diesen Garten, er galt als einer der großen Sammler seiner Zeit. Später bat er den Architekten Paul Sinoir, ihm hier ein Atelier und Wohnhaus zu bauen. Es ist in der Farbe gestrichen, die seinen Namen trägt: in Majorelle-Blau.

Dass der Garten überhaupt noch existiert, haben wir Yves Saint Laurent und seinem Lebensgefährten Pierre Bergé zu verdanken. Anfang der Sechziger, nach Majorelles Tod, lag der Garten brach und war verwildert, bis 1980 YSL und Bergé zuschlugen und viel investierten. Sie haben z. B. ein Bewässerungssystem angelegt, das 40 Prozent Wasser spart. Sie haben die Zahl der Pflanzen verdoppelt. Viele bekamen sie aus der Baumschule von Sadeq Tazi, einem Freund Bergés, in Casablanca. Die Kakteen und Sukkulenten haben sie bei einem Deutschen gekauft, Hans Thiemann, der sie hier mit seiner Frau Fatima züchtete. Statt Gras legten sie Schotter aus, um Wasser zu sparen. Im Garten wachsen Pflanzen aller fünf Kontinente, hauptsächlich Kakteen und Bougainvilleen, weil die das ganze Jahr über schön anzusehen sind. Wie viele Pflanzen es insgesamt sind, kann man gar nicht zählen. Jeden Tag wird hier gestrichen. Auch das ist ein Vermächtnis von YSL und Bergé als Hommage an Majorelle: das Blau wird noch genauso angerührt wie früher. Kann man hier übrigens auch im Shop in Farbtöpfen kaufen...

 

Yves Saint Laurent zog sich 2002, als er seine Karriere beendete, nach Marrakech zurück. 2008, als er starb, wurde seine Asche im Rosengarten verstreut. Der ist im privaten Teil des Gartens, neben der Villa Oasis, die einen noch größeren Garten hat als der öffentliche Teil. Unser Fazit: der Jardin Majorelle ist ein magischer Ort, den man auf jeden Fall besuchen muss, wenn man in Marrakesch ist. Aber am besten seeeeehr früh am Morgen.

Danach haben wir noch das anliegende Museum zu Ehren der Arbeit des Modeschöpfers Yves Saint Laurent besucht, welches erst 2017 eröffnet wurde. Von 1966 bis zu seinem Tod 2008 war Marrakesch eine Ersatzheimat für YSL und der ideale Rückzugsort vom hektischen Modegeschäft. In seinen Marrakesch-Tagebüchern, ein Konvolut aus 360 Blättern voller Notizen und Aktzeichnungen, beschrieb der Modemacher seine Zeit dort als überaus glücklich. Nirgends soll er kreativer gewesen sein.

Das Yves-Saint-Laurent-Museum in Marrakesch ist deshalb nicht nur dem Werk des 2008 verstorbenen Modeschöpfers gewidmet, sondern auch dem Land Marokko und der islamischen Kunst. Die kleinen grünen Kacheln im Eingang erinnern an die Fliesen in den viereckigen Minaretten der Stadt. Ein Teil der Mauern schimmert rosa, wie die Granitberge des Ourika-Tals, die rund eine Stunde von Marrakesch entfernt liegen. Friedrich ist bereits nach einer Stunde „gesättigt“, ich bleibe noch etwas länger.

Gegen Mittag entscheiden wir die Zelte in Marrakech abzubauen und gen Küste zu fahren. Am frühen Nachmittag sind wir bereits im unscheinbaren Hafen- und Hippie-Städtchen Essaouira und schlendern durch die Gassen und am Strand entlang. Essaouira bedeutet die „Eingeschlossene“, was wohl an der heute noch vollständig erhaltenen Stadtmauer liegt, die die Medina umgibt und einst von den Portugiesen erbaut wurde. Die Portugiesen nannten die Festung und die Stadt an der marokkanischen Atlantikküste Mogador. Diesen Namen trug Essaouira bis zur Unabhängigkeit Marokkos im Jahre 1956. Mit diesem Namen zollten die Portugiesen dem islamischen Heiligen Sidi Mogdul Respekt, der noch heute als Schutzpatron von Essaouira verehrt wird.