Always look on the bright side of life – winch me up!

Es ist Gründonnerstag, der 18. April 2019 und wir haben sehr gut im „Chez le pacha“ geschlafen. Den Abend zuvor haben wir mit einem Gin am Pool (12€ das Glas!) ausklingen lassen. Das Frühstück ist im Preis inklusive und wir genießen die einfache Berbermahlzeit aus einer Art Pfannkuchen mit Honig, gekochtem Ei, Joghurt und starkem Pfefferminztee. Als wir abfahren wollen, lernen wir noch den Chef des Hauses – Ali – kennen. Er und seine beiden Brüder haben 2001 das Grundstück gekauft und zunächst mit einem Campingplatz angefangen. Ali ist dann für ein Jahr an eine Sprachschule nach Frankfurt, um Deutsch zu lernen und sich besser auf den anstehenden Tourismus vorbereiten zu können. Jede Mark wurde wieder reinvestiert und schließlich das Hotel gebaut. Der Laden läuft. Wir haben viel über Offroadkram philosophiert und er hat uns noch ein paar Tipps für die anstehenden Tage in der Wüste gegeben. Und dann fahren wir endlich los.

Vom Hotel bis M’Hamid sind es 6km. Der kleine Ort besteht gefühlt ausschließlich aus Staub und man sieht neben den Einheimischen viele, teilweise sehr hochgezüchtete, Rallye-Fahrzeuge. Direkt am Ende der „Hauptstraße“ beginnt die Wüste. Es gibt nur eine Richtung und die heißt „Piste to Erg Chigaga“. Unter Piste versteht man eine Unmenge an parallel verlaufenden Tracks, die irgendwie allesamt am etwa gleichen Ort zusammentreffen. Erst müssen wir jedoch Luft aus den Reifen lassen. Kaum stehen wir, kommen zahlreiche Kinder auf uns zugerannt und fragen nach Süßigkeiten. Haben wir nicht, ist schlecht für die Zähne. Dann fragen sie nach Geld. Die Antwort: geht in die Schule, lernt fleißig, geht auf die Uni und arbeitet dann hart, um viel Geld für viele Süßigkeiten zu verdienen. Auf das Wort „harte Arbeit“ haben die Kids allesamt mit Stöhnen und Augenrollen reagiert. Als wir genug Luft aus den Reifen gelassen haben, geht es durch feinsten Sand einen Track entlang, der sich durch eine kleine mit Sträuchern bewachsene Dünenlandschaft schlängelt. Es ist herrliches und ruhiges Fahren und der Landy macht sich trotz seines Gewichts einfach klasse. Ab und zu halten wir an, um totes Holz für das abendliche Feuer/ Essen zu sammeln. Für diesen Abschnitt der Sahara typisch, endet der Sand plötzlich und wir kommen auf eine offene Schotterlandschaft. Die fährt sich recht easy und immer wieder passieren wir kleine Herden von Kamelen. Was wir schon gestern feststellten, war der starke Wind der mit 4-5 Beaufort streng aus Westen kam.

Nach etwa zwei Stunden erreichen wir eine heilige Oase, an der gefühlt alle Rast machen. Es ist ein kleiner Palmenhain, in dessen Mitte eine Wasserquelle ist. Die Kasbah dahinter ist unbewohnt. Dafür tummeln sich hier viele als Tuareg verkleidete, geschäftstüchtige Einheimische, die für alles irgendwelche spezielle Hilfe anbieten wollen. Wir parken unser Auto mit dem Rücken im Wind ein paar Meter entfernt von der Oase und steigen aus, um uns alles anzusehen. Kaum sind wir am Wasser, knallt und scheppert es laut und alle schauen in eine Richtung. Wir dann auch. Seltsamerweise steht unser Landy nicht mehr da, wo wir ihn abstellten, sondern einige Meter weiter vor mit der Schnauze im Sand am Boden der Oase. Der Wind hat den Wagen einfach weitergeschoben. Tja, wie kommen wir da wieder raus? Und was ist alles kaputtgegangen? Wir schaffen es gar nicht erst, darüber nachzudenken, denn die Locals mit ihren speziellen Fähigkeiten sind sofort zur Stelle: „No problem, my friend!“ Eine Gruppe Offroader aus Portugal fragt, ob sie uns rausziehen sollen. Klar! Keine fünf Minuten später hängt mein Landy an der Seilwinde eines anderen Landy, der wiederum von einem weiteren Fahrzeug zusätzlich gesichert wird. Die rauhen Typen dieser Gruppe fackeln nicht lange und weisen mich ein. So eine Bergung ist immer Teamarbeit. Die Locals mit speziellen Fähigkeiten bieten zwar immer noch ihre Dienste an, aber müssen erkennen, dass sie nicht gebraucht werden. Als die Winde angeworfen wird, sind wir keine 30 Sekunden später wieder in der Waagerechten. Nach tausend Danksagungen und Umarmungen sind die Portugiesen schon wieder unterwegs. Deren Mechaniker hat noch schnell in den Motorraum gesehen und alles für gut befunden. Nebenbei muss man erzählen, dass wir lange nach einem passenden Namen für unsern Landy gesucht haben. Ab heute heißt er Murphy!

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Der Schreck ist verflogen und wir sind froh, dass niemandem etwas passiert ist. Jetzt räumen wir erstmal auf, denn es ist nix mehr an seinem Platz. Es sind die selben Handgriffe, die wir schon die ganze Tour über praktizieren und so sind wir nach wenigen Minuten fertig.

Kurz bevor wir abfahren, treffen wir zwei Franzosen wieder, die wir mit ihren LKWs ein paar Tage zuvor im Nirgendwo zwischen Merzouga und M’Hamid in der Wüste trafen. Wir haben uns noch ein paar Minuten sehr herzlich unterhalten und sind dann los. Wir hatten richtig Schwein, dass wir nicht tiefer und auf Stein gefallen sind, sonst hätten die drei Tonnen Gesamtgewicht sicherlich mehr Schaden davon getragen. Und es hat sich gezeigt, dass der Land Rover das richtige Fahrzeug für so eine Tour ist. Bei einem moderneren Fahrzeug wäre sicherlich viel Plastik und mehr kaputt gegangen.

Nach einer weiteren Schotterpisten erreichen wir den Erg Chegaga, die schönste und größte Sanddünen-Landschaft Marokkos. Durch den Wind sehen wir davon nicht viel. Die Luft ist voller Sand.

Eigentlich ist der geplante Tagesabschnitt schon geschafft. Da wir aber noch in der frühen Mittagszeit sind, entscheiden wir noch weiter zu fahren. Ab jetzt liegen 24km feinste Sandpiste und Dünenfahren vor uns. Wir begegnen kaum Menschen und genießen das total ruhige Sandreiten/-gleiten. Es fühlt sich an, als ob man mit dem Auto durch den Sand schwimmt. Beim Dünenfahren versuchen wir Risiko zu vermeiden, da wir alleine sind. Für den Fall des Festfahrens haben wir alles dabei, aber bei Bruch der Achse o.ä. wären wir am A… Man kann übrigens auch hier wie mit dem ADAC geborgen werden. Allerdings ist das teuer, denn die schweren alten Militär-LKWs deutschen Fabrikats müssen erstmal rankommen und das dauert. Dennoch haben wir es sehr genossen und es war sehr aufregend, mit Murphy die Hänge hinunterzurutschen. Nun ja, und dann ist auch der Streckenabschnitt zu Ende. Eigentlich wollten wir am Rande der Dünen campen, aber bei dem Wind ist das unerträglich, da alles im Zelt sowie das Essen versanden würde . Also entschließen wir uns kurzerhand weiterzufahren. Die Route führt weiter durch einen ausgetrockneten Salzsee, der bretthart ist. Alle paar Kilometer steht eine einsame kleine Kasbah mit einem Kaffee. Und jede ist geöffnet. Am Ende des Salzsees geht der Track über in einen Schotterweg, der uns über ca 40km Richtung Endpunkt „Foum Zguid“ bringen soll. Wie immer beim Wildcampen setzen wir uns 18.30 Uhr als späteste Zeit zum Campaufbau. So hat man etwa eine Stunde Zeit, bei Tageslicht alles aufzubauen. Als wir durch den Schotter komplett weichgekocht sind (es wackelt und vibriert alles, sogar ein paar Schrauben lösen sich hier und da), finden wir ein tiefes sandiges Flussbett mit Palmen am Wegesrand. Es wäre ideal, dort zu nächtigen, weil man in der Senke von niemandem gesehen werden würde. Leider war der Zugang durch große Steinbrocken nicht möglich und so fahren wir weiter. Dabei treffen wir auf zwei ungarische Paare mit ihren Kinder, die mit alten LKWs unterwegs sind. Wir tauschen ein paar Infos aus und fahren weiter. Wir sind insgesamt so weit vorangekommen, dass wir plötzlich am Ziel sind. Das war so nicht geplant, aber nach diesem sehr aufregenden Tag sind wir doch froh, wieder in der Zivilisation zu sein. Der Militärposten, der den Zugang zur Wüste/Dorf bewacht, fragt nach einem wirklich netten Gespräch noch nach „deutschen Mitbringseln speziell für ihn“, aber mit Buntstiften für Kinder kann er dann doch nix anfangen und lässt uns durch. Als Unterkunft suchen wir uns das Camping Bab Rimal aus, das an das gleichnamige Hotel angeschlossen ist. Wir parken als einziger Land Rover neben einer Armada von G-Klasse fahrenden Franzosen und bauen unser Camp auf. Jetzt haben wir uns ein Bier verdient und bauen das Lager für die Nacht auf. Nach einer heißen Dusche fallen wir schließlich ins Bett.

Schadensaufnahme:

  • Schutzplane der Winde endgültig durch (muss ohnehin getauscht werden)
    Zeltplane hat ein Loch: kann geflickt werden
    1 zerbrochener Ikeakistendeckel
    1 Glühbirne für den Temperaturregler ausgefallen