Wir schreiben Sonntag, den 14. April 2019: Nach dem gestrigen Pfefferminztee haben wir unser Camp in Midelt aufgebaut. Gleichzeitig haben wir das Grillfeuer entfacht, um ein super Chili con Carne im Dutch Oven zu kochen. Nach dem letzten Glas einheimischen Rotweins sind wir total K.O. ins Bett gefallen. Die Nacht war saukalt, aber unsere Daunenschlafsäcke haben uns wohlig warm gehalten. Heute morgen sind wir sehr früh aufgestanden. Zum Glück gab es heißes Wasser und die Dusche war herrlich warm. In Windeseile haben wir unser Camp abgebaut und sind nach kurzem Volltanken (umgerechnet 89,- Eurocent/l) auf den „Cirque de Jaffar“ abgebogen. Das ist eine offizielle Straße, die jedoch einer teilweise recht harten Offroad-Piste gleicht und durch tiefe Schluchten führt und mit steilen Überhängen gekennzeichnet ist. Doch nun von vorn:
Der Track beginnt gleich am Stadtzentrum von Midelt, was letztendlich der Hauptstraße entspricht. Die Teerstraße bricht abrupt ab und geht in einen Schotterweg über, der vorbei an alten Kasbahs führt. Das sind kleine Festungen außerhalb von Dörfern, deren Mauern und Dächer üblicherweise aus Lehm und Stroh gebaut werden. Diese Kasbahs dienen den Menschen als Wohn- und Handelsort und zugleich schützen die hohen Mauern vor dem Wetter. Das ländliche Gegenstück zur Kasbah ist der Ksar, ein befestigtes Dorf.
Als wir die letzte Siedlung hinter uns lassen, fahren wir parallel zum Atlasgebrige, auf dessen Gipfeln noch Schnee liegt. Gemeinsam mit einer Truppe spanischer Motorradfahrer und deren Begleitfahrzeugen folgen wir der malerischen Landschaft in den eigentlich interessanten Teil: das Flussbett. Dort erwarten und schon einige Berberkinder, die uns nach Süßigkeiten und Klamotten anbetteln. Unangenehm wird dies erst, nachdem die Kinder auf unser fahrendes Auto aufspringen und mitfahren wollen. Aber das machen die jeden Tag. Ein älterer Berber (so nennt man die Nomaden der Berge in Marokko), warnt uns vor dem eigentlichen Track, der in einigen Kilometern verschüttet sein soll. Ein paar der Spanier haben mit ihren starken Crossmaschinen eine kurze Erkundung gestartet und das Hindernis bestätigt. Also schauen wir alle auf unsere Karten und beschließen, eine parallele Piste zu befahren.
Die neue Route war aber nicht minder abenteuerlich, wenn man das, worauf wir uns per Internetrecherche vorbereitet haben, mit dem vor uns Liegenden vergleicht. Es geht über Stock und Stein und wir müssen richtig hart arbeiten, um unseren Landy sicher durch die Schlucht zu fahren. Teilweise geht es nur mit Untersetzungsgetriebe und Differenzialsperre im Schneckentempo voran, um Mensch und Material vor Schäden zu bewahren. Aber genau das wollten wir auch. Ein paar der Berber begleiten uns (also auch die Spanier, mit denen wir immer noch eine Gruppe bilden). Das hat jedoch Kalkül: man hilft uns (auch ungewollt) und verlangt hinterher Geld, Essen oder gebrauchte Klamotten für die „geleisteten Dienste“. Das wird mit der Zeit sehr anstrengend und verlangt viel Geduld. Als wir aus der Schlucht hinaus sind, öffnet sich die Landschaft erneut.
Noch wollten wir uns auf der Karte orientierten, was aber irgendwie nicht klappte. Etwas ungeplant und hektisch werden wir auf einen Weg rechts den Hang hinauf gelotst. Der ist so steinig und steil, dass man nur noch vorwärts hinauf fahren konnte. Rückwärts fahren wäre lebensgefährlich und nur mit Winde halbwegs sicher möglich gewesen. Ein älterer, wirklich sehr hilfsbereiter Berber meinte es zu gut und wollte dicke Steine aus dem Weg räumen, was uns auf halbem Hang zum Anhalten zwang. Idiot! Bleibt man mit dem Auto stehen, ist eine allzu hohe Belastung der Kupplung beim nächsten Anfahren nahezu vorprogrammiert und kann bei unvorsichtigem oder ängstlichem Verhalten zur Zerstörung führen. Also haben wir uns kurz besprochen, der Berber hat einen Anschiss bekommen und wir sind letztendlich heile und ohne Schäden auf einem Plateau oberhalb des Flussbettes angekommen.
Der Schreck saß uns doch recht ordentlich in den Knochen, denn es hätte eine Menge schief gehen können. Der Berber kam uns natürlich nach und wollte „für seine Dienste“ eine Belohnung haben. Wir haben ihm ein Wasser angeboten, was er ablehnte. Er hätte lieber Geld gesehen. Nun ja, dem Gesetz der Wüste nach, wird Wasser nicht abgelehnt. Also hat er den nächsten Anschiss kassiert und wir haben ihn zeternd weggescheucht. Die Lektion des Tages: nicht hektisch einbiegen, sondern erst sondieren und selbst entscheiden. Die zweite Lektion: Geduld zeigen, aber zu aufdringliches Verhalten mit Geldbettelei ablehnen.
Nach dem Erlebten haben wir auf dem Plateau erst einmal eine Stunde Pause gemacht und die Ruhe ohne andere Menschen genossen. Nun sind wir dem Weg zurück zur Hauptstraße gefolgt und haben beschlossen, das Glück nicht weiter herauszufordern. So haben wir den Weg von ca. 290km nach Merzouga, dem Tor zur Wüste, angetreten.
Die Landschaft änderte sich zusehends und wurde von Grünem Bewuchs über roten Fels zu gelber Wüste. Die Route Nationale 13 führt nach einem großen Stausee über mehr als hundert Kilometer an einem Fluss entlang, der links und rechts eine traumhafte lange Oase mit Palmen und Gras hat. Pünktlich zum Sonnenuntergang kamen wir am Erg Chebbi in der Kasbah Mohayut an. Diese bietet ein traumhaftes kleines Hotel mit Pool sowie einem kleinen Campingplatz direkt an den Dünen an. Kurzerhand beschließen wir, gleich zwei Nächte zu bleiben, um uns etwas zu erholen und auf die Durchquerung der Sahara vorzubereiten.